Der Totenglauben Das Jenseits
Seelenvorstellungen Das Totenopfer
Die Grabbeigaben Das Totengericht
Begräbnisfeier & Mundöffnungsritual Totenliteratur




Der Totenglauben

Die Einstellung der alten Ägypter zu Leben und Tod war von zwei Grundüberzeugungen geprägt. Und zwar daß der Tod nur eine vorübergehende Unterbrechung des Lebens sei und nicht das endgültige Ende und daß ewiges Leben durch eine Reihe von Vorleistungen, wie Frömmigkeit den Göttern gegenüber, Erhalt des Körpers durch Mumifizierung etc., erwirkbar sei. Aufgrund der zahlreichen Grabfunde und erhaltenen Totentexte, ist es uns möglich, die Komplexität und allmähliche Entwicklung des Glaubenssystems nachzuvollziehen.

Ein Sem-Priester mit dem zu seiner Tracht gehörenden Leopardenfell. In der li. Hand hält er ein Räuchergerät. Ausschnitt aus dem Totenbuch-Papyrus des Ani, 19. Dyn. - Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / NicholsonDer Mensch bestand für die alten Ägypter nicht nur aus einem Körper, sondern aus drei weiteren, geistigen Personenanteilen: dem Ka, dem Ba und dem Ach. Jedes dieser Elemente war für das menschliche Überleben im Diesseits wie im Jenseits von grundlegender Bedeutung. Ebenso galten der Name und der „Schatten“ als Wesensbestandteile des Menschen und keines dieser Elemente durfte vernachlässigt werden, denn nur die Summe all dieser Bestandteile machten das Wesen eines Menschen aus. Nicht nur deswegen gestaltete es sich auch so besonders schwierig, das Wohlergehen der Menschen im Jenseits zu erhalten und sicherzustellen.

Ausschnitt aus dem Totenbuch de Hunefer, Kapitel 125, Ammit sitzt zwischen den beiden Waagschalen, auf denen das Herz des Verstorbenen gegen die Feder der Maat aufgewogen wird, 19. Dyn., um 1280 v. Chr., bemalter Papyrus - Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / NicholsonDie uns erhaltene Totenliteratur liefern uns oft widersprüchliche Schilderungen des Lebens nach dem Tod. Angefangen von der Verwandlung von Menschen in Sterne bis zur Weiterführung des gewohnten Lebens in den sog. „Binsengefilden“ – der jenseitigen Welt. Ebenso wurde der Tote mit Osiris gleichgesetzt, der ja bekanntlich durch seinen Bruder Seth ermordet und dann durch die Bemühungen seiner liebenden Gattin/Schwester Isis wiederbelebt wurde. Zuerst mußte der Verstorbene jedoch beweisen, daß seine irdischen Taten gut und tugendhaft gewesen waren. Dies geschah, indem das Herz des Menschen, das als physische Manifestation seines Verstandes und seiner Persönlichkeit galt, gegen die Feder der Göttin Maat aufgewogen wird.


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Das Jenseits

König Haremhab vor Osiris, Vorkammer seines Grabes - Bildquelle: Tal der Könige von Erik Hornung Die im Mittleren Reich herausgebildete Verbindung der Sonnenlaufbahn und der osirianischen Unterwelt war von den verschiedensten komplexen Jenseitsvorstellungen die am häufigsten verwendete. Die Seele lebte dabei nach dem Tode weiter, der Ach stieg zum Himmel, während das Ba selbständig weiterlebte. Das Schicksal außerhalb des Grabes betraf das Ba, der Körper aber blieb die Stütze der Seele und musste daher konserviert werden. Die Form des Körpers und seine individuellen Merkmale wurden durch eine Grabstatue verewigt und als Attribut der Individualität wurde der Name auf die Grabwände geschrieben, um den Menschen ewig in Erinnerung zu bleiben.

Wenn der Körper einbalsamiert war, zog die Seele in den Westen (=Amenti), wo sie nach Prüfungen, die sie dank Amuletten und magischen Formeln bestand, vor dem Gericht des Osiris erschien. Einmal für würdig befunden, begann die Seele ihr Leben außerhalb des Grabes: Am Tage kehrte sie ins Grab zurück, wo die Opferdienste sie mit Nahrung versorgten, während sie die Alltagsgegenstände ihres früheren Lebens im Grab aufgehäuft fand und die Malereien auf den Wänden das wieder zum Leben erweckten, was ihr in ihrem Erdenleben wichtig gewesen war. Die Seele nahm, nachdem die Sonne untergegangen war, ihren Platz in der Sonnenbarke ein, um mit ihr in der Unterwelt herumzufahren, die diese während zwölf Stunden auf ihrer nächtlichen Fahrt durchquerte. Mit der Ankunft des Tages kehrte die Seele wieder in ihr Grab zurück.



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Seelenvorstellungen


Ausschnitt Sarg des Seni. Die abgebildete Hieroglyphe zeigt den mit einem Schopf versehenen Ach-Vogel, MR, um 2000 v. Chr., bemaltes Holz Ach
Den Ach hielt man für die Form, in der die verklärten Toten in der Unterwelt verweilten, und auch für die Seinsform nach der erfolgreichen Wiedervereinigung des Ba mit seinem Ka. Einmal durch diese Wiedervereinigung geschaffen, galt der Ach als für alle Ewigkeit dauernd und unveränderlich. Der Ach in seinem körperlichen Aspekt wurde zwar für gewöhnlich als Uschebti-ähnliche mumiengestaltige Figur dargestellt, das Wort Ach dagegen mit dem Hieroglyphenzeichen des sog. Schopfibis (Geronticus eremita) geschrieben.




Ausschnitt aus dem Totenbuch des Hunefer. Kapitel 17 mit einem Ba-Vogel auf einer schreinförmigen Plinthe. 19. Dyn., um 1280 v. Chr., bemalter Papyrus, aus Theben
Ba
Der Ba ähnelt unserer Vorstellung von „Persönlichkeit“, denn er umfaßt ebenfalls all jene nichtkörperlichen Eigenschaften, die einen Menschen einzigartig machen. Der Begriff Ba bezog sich jedoch auch auf Macht und konnte auf Götter und unbelebte Gegenstände ausgeweitet werden. Um ein Ach werden zu können, mußte der Verstorbene aus dem Grab herauskommen, um sich wieder mit seinem Ka zu vereinigen, aber da dies dem Körper unmöglich war, übernahm dies das Ba. Die Ägypter betrachteten Zugvögel als Verkörperung des Ba, der somit ungehindert zwischen Grab und Unterwelt hin und her fliegen konnte.
Damit die Körper der Verstorbenen im Jenseits überleben konnten, mußten sie allnächtlich mit dem Ba wiedervereinigt werden. Beispielsweise wurde im Kapitel 89 des Totenbuches empfohlen, einen goldenen Ba-Vogel auf die Brust der Mumie zu legen, um diese Vereinigung zu erleichtern. Der Ba war eng an den Körper gebunden, so daß man meinte er hätte auch physische Bedürfnisse, wie z.B. Essen und Trinken. Die gelegentliche Übersetzung mit „Geist“ ist daher also eher nicht zutreffend.



Ka-Statue des Auibre Hor, gefunden in ihrem Naos in einem Grab nördl. der Pyramide Amenemhats III. in Dahschur, 13. Dyn., um 1700 v. Chr.
Ka
Mit diesem – eher nicht übersetzbarem Begriff – bezeichneten die alten Ägypter die schöpferische Lebenskraft eines jeden Individuums, sei es menschlich oder göttlich. Der Ka wird mit zwei erhobenen Armen geschrieben, galt als entscheidender Wesensbestandteil sowohl für den Lebenden wie auch für den Toten und ist so etwas wie dessen „Doppelgänger“. Zuweilen wird er in der Grabkunst als eine minimal kleinere Figur dargestellt, die neben dem Lebenden steht. Es gibt auch Darstellungen des Schöpfergottes Chnum, wie er auf seiner Töpferscheibe den Körper eines Menschen und gleichzeitig seinen Ka formt.
Beim Tod eines Menschen lebte der Ka weiter und bedurfte der gleichen materiellen Versorgung wie zu seinen Lebzeiten. Daher wurden ihm entweder Speisenopfer dargebracht oder die Grabwände mit Darstellungen von Nahrungsmitteln geschmückt, die durch die direkt an den Ka gerichteten magischen Opferformeln wirksam wurden. Grabstatuen galten als Leib des Ka und zuweilen ging sogar das Ka-Symbol in ihre Gestaltung ein, wie etwa im Fall der Ka-Statue des Awibra Hor aus Dahschur (siehe Bild).
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Das Totenopfer

Leider wissen wir nicht wie der regelmässige Kult am Grab aussah und Ausschnitt aus der Opferformel, in der der König gebeten wird, den Göttern zu opfern. Außenseite des äußeren Sarges des Arztes Seni, MR, um 2000 v. Chr., bemaltes Holz - Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson ob es einen solchen überhaupt gab. Aber wir wissen, daß man bereits in der Vorgeschichte bei Bestattungen Nahrungsmittel in Tongefäßen, aber auch Schmuck und Waffen mit ins Grab legte. Etwa seit der 1. Dynastie ist es deutlich ersichtlich, daß das Grab als Wohnhaus für den Verstorbenen angesehen wurde, in dem er weiterlebte und natürlich waren die Wohlstandsverhältnisse in einem Grab gleich dem Lebensstandart im Diesseits.


Der Opferkult fand meist an der Ostseite des Grabes statt, wobei die Opfer selbst vorwiegend aus Naturalien bestanden. Opferspeisen aus Stein oder Ton konnten, durch regelmässige Wasserriten erfrischt und mehrmals für den selben Zweck verwendet werden. Als Stellvertreter für irdische Annehmlichkeiten wurden modellhafte Beigaben wie Steingefäße, Dienerfiguren, Häuser und Boote dem Verstorbenen zur Verfügung gestellt. Der älteste Sohn war normalerweise für die Bestattung und für den anschließenden regelmäßigen Opferdienst zuständig. Allerdings gab es bereits auch berufsmässige Totenpriester, die im Laufe der Zeit Bezeichnungen wie „Geistsucher des Königs“, „Diener des Ka“, „Versorger“, „Reinigungspriester“ oder „Wasserspender“ erhielten und den Opferkult am Grab verrichteten, während ein Vorlesepriester die Ritualsprüche rezitierte.

Da sich die Leichname in den zweigeteilten Gräbern des Alten Reiches unter der Erde befanden, mußten die Opferrituale in einen oberirdischen Teil heraufgerufen werden. Dieses Problem löste man mit einer sog. „Scheintür“. Der Totenpriester rief den Verstorbenen, so daß sich sein Ka durch die Scheintür an der Nahrung auf den Opferplatten stärken konnte. Das Totenopfer erhielt daher den Namen peret-cheru, „Das Hervorkommen auf den Ruf“.

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Die Grabbeigaben

Die meist in einem Kanopenkasten aufbewahrten Kanopenkrüge wurden dicht neben dem Sarkophag aufgestellt. Sie enthielten die Eingeweide des Verstorbenen, die bei der Mumifizierung entnommen werden mußten. Zusätzlich wurde noch eine Vielzahl von anderen Beigaben, teils eigens für das Begräbnis hergestellt, teils aus dem persönlichen Besitz des Verstorbenen, die dem Toten das Leben im Jenseits so angenehm wie möglich gestalten sollten.

Uschebtis der Prinzessin Henutmehit mit Uschebtikasten, 19. Dyn., bemaltes Holz, aus Theben - Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson
Um dem Verstorbenen vor der mühsamen Frohnarbeit im Jenseits zu bewahren, die jeder dort für seinen Lebensunterhalt zu erbringen hatte, wurden Uschebtis mit ins Grab gegeben. Sie sprangen für den Verstorbenen ein, wenn dieser zur Arbeit gerufen wurde und antworteten an seiner Stelle. Einige Uschebtis tragen keine Inschriften, die meisten sind jedoch mit Kapitel 6 des Totenbuchs bechriftet, dem sog. Uschebtispruch.

Oh du Uschebti, wenn (Name des Toten) aufgerufen wird,
irgendwelche Arbeiten zu tun, die im Totenreich getan werden müssen,
die Felder urbar zu machen, das Land zu bewässern oder den Sand von Ost nach West zu tragen,
dann sollst du sagen: „Hier bin ich, ich werde es tun.“.


Zu Beginn des Neuen Reiches wurden den Uschebtis auch Modelle von Hacken und Körben beigegeben und ab der 3. Zwischenzeit gab es zusätzliche Aufseher-Uschebtis, die man mit einer Peitsche ausstattete. Im Neuen Reich trugen sie zuweilen sogar Arbeitskleidung statt ihrer Mumienhülle und hatte ursprünglich jeder Verstorbene nur einen Uschebit erhalten, so wurde diese Zahl wesentlich erhöht: Jetzt konnten es bis zu 365 Figuren sein, eine für jeden Tag des Jahres, dazu 36 Aufseher – im Ganzen also 401. Angeblich sollen im Grab Sethos I. sogar 700 Figuren gefunden worden sein. Diese zunehmende Zahl führte zur Herstellung von besonderen Behältnissen, den Uschebtikästen.

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Das Totengericht

Auf ihrer Reise vom Grab zur Schwelle des Amenti passiert die Seele zuerst die „Halle der beiden Gerechtigkeiten“, wo das Gericht des Osiris tagt. Anubis empfängt den Verstorbenen und führt ihn an der Hand in die Halle, in deren Mitte sich die Waage der Gerechtigkeit befindet. Hier findet das traditionelle „Wiegen der Herzen“ statt, bei dem man das Herz des Verstorbenen auf die eine Seite der Waagschale legt, während auf der anderen eine Feder, das Symbol der Maat, liegt.

Osiris, der Vorsitzende des Gerichts, sitzt unter einem Baldachin mit Isis und Nephthys zu seinen Seiten, davor hocken 42 Beisitzer. Thot steht in der Nähe der Waage, um auf einer Tafel die Resultate des Urteils zu notieren. Man trifft wieder auf Anubis, der das Gewicht am Waagebalken führt und nun beginnt die Konfession des Toten.

Zuerst wendet sich der Verstorbene an das gesamte Gericht und dann an die 42 Gottheiten, die dem Osiris beisitzen. Nachdem er den „großen Gott, Herr der Maat und der Gerechtigkeit“ gegrüßt hat, dessen magischen Namen sowie die seiner 42 Beisitzer er zu kennen erklärt, beginnt der Verstorbene mit seiner Beteuerung:

Ausschnitt aus dem Totenbuch des kgl. Schreibers Ani. Kapitel 125, in der das Herz des Verstorbenen gegen die Feder der Göttin Maat aufgewogen wird, 19. Dyn.
Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson

„Ich habe keine Leiden über die Menschen gebracht,
ich war nicht verletzlich gegen meine Eltern, ich habe keine Verbrechen begangen,
ich habe die anderen nicht ausgenutzt, ich war nicht ungerecht,
ich habe keine Intrigen gesponnen, ich habe keine Gotteslästerung begangen, etc.“


Der Verstorbene wendet sich nun an jeden der 42 Richter, die im allgemeinen Schutzgötter von Städten oder ländlichen Gebieten waren: „Oh Geist, der erscheint in Heliopolis und der mit großem Schritt geht, ich habe nicht gesündigt…; oh Geist von Amenti, Gott der doppelten Nilquelle, ich habe nicht verleumdet….“

Gerichtsszene aus dem Totenbuch des kgl. Schreibers Hunefer
Bildquelle: Das alte Ägypten von David P. Silverman

Sind seine Worte wahr, bleibt das Herz, das nicht lügt, in Gleichgewicht mit der Feder der Maat. Wenn nicht, wird es mit dem Gewicht der Sünden des Verstorbenen beladen und wenn das Gewicht der Sünden das der Gerechtigkeit übersteigt, dann stürzt sich das Monster Ammit, die „Verschlingerin“, ein Löwe mit Krokodilkopf und dem Hinterteil eines Nilpferdes, auf den Verstorbenen, um ihn zu verschlingen und schließlich zu vernichten. Hat der Verstorbene bei seiner Konfession nicht gelogen, öffnet Osiris ihm den Eingang in sein Paradies.

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Begräbnisfeier & Mundöffnungsritual

Sobald man den mumifizierten Körper in die Balsamierungshalle (wabet) gebracht hatte, begannen die Feierlichkeiten, bei denen man dazu in Oberägypten, besonders in Theben, den Fluß überqueren mußte. Der mit Blumen bedeckte Sarg wurde auf eine Barke gestellt, in der auch die Verwandten des Verstorbenen Platz nahmen, die durch ihre Klagen die Gebete des Totenpriesters unterbrachen.Dieser, bekleidet mit einem Leopardenfell, führte über der Mumie Räucherungen durch, indem er rezitierte:
"Eine Räucherung für dich, o Harmachis-Chepri,
der du bist in der Barke der Götter…"

Andere Boote folgten mit weiteren Verwandten des Toten, seinen Freunden und den Dienern, die Blumen und Opfergaben trugen.

Begräbniszug in der Grabkammer Tutanchamuns
Bildquelle: Tal der Könige von Erik Hornung

Am anderen Nilufer angekommen, stellte man den Sarkophag auf einen Schlitten, der von Ochsen gezogen wurde. Vor und hinter dem Sarkophag nahmen zwei Klagefrauen ihren Platz ein, die rituelle Klagen ausriefen und so Isis und Nephthys imitierten. Um den Sarkophag herum schritten die Totenpriester, die dem Verstorbenen räucherten, wobei sie ihm zu Ehren Hymnen rezitierten. Schließlich kamen die Männer der Familie und die Freunde des Verstorbenen, die sich zum Zeichen der Trauer einen Bart wachsen ließen, danach die Frauen, die den Zug mit ihren Klagerufen begleiteten.

Am Eingang des Grabes angekommen, fuhr man mit dem Mundöffnungsritual fort, begleitet von einem Ritual namens "Zerbrechen der roten Vasen", dessen Bedeutung unklar ist. Dieses Mundöffnungsritual, dessen „ausführliche Version“ wohl mehrere Rituale miteinander vereint haben dürfte, sollte den Verstorbenen und auch seine Grabstatuen wiederbeleben. Im Neuen Reich umfaßte die Zeremonie 75 Einzelschritte. Die älteste vollständige Schilderung findet sich im Grab des Wesirs Rechmira. Das Ritual wurde normalerweise vom Sohn und Erben des Verstorbenen als letzer Akt der Pietät vollzogen. Wenn es um die Thronfolge ging, diente es zuweilen zur Legitimierung des Nachfolgers, so etwa im Fall des Eje: Im Grab des Tutanchamun sehen wir ihn in der Tracht eines Sem-Priesters beim Vollzug des Mundöffnungsrituals am toten König.

Kapitel 23 aus dem Totenbuch-Papyrus des Hunefer, die das Mundöffnungsritual zeigt - Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson Das Ritual konnte an einer ganzen Reihe von Orten vollzogen werden, so im „Goldhaus“ selbst oder auch in den Werkstätten des Bildhauers oder Balsamierers. Der ganze Ablauf war wohl durchdacht und so wurden Reinigungen, Räucherungen, Salbungen und Beschwörungen vorgenommen und die Mumie an mehreren Stellen mit verschiedenen Geräten berührt. Auf diese Weise sollte der Verstorbene erneut Macht über seine Sinne erhalten. Über seinen Mund, damit er wieder essen und sprechen konnte, aber auch über Augen, Ohren, Nase und andere Körperteile.

Eine der wichtigsten Geräte, die dazu verwendet wurden, war der Pesesch-kef, ein ursprünglich aus Feuerstein hergestelltes Fischschwanzmesser. Außerdem durften noch die Nefjeri-Klingen, die meist aus Meteoreisen gefertigt waren, nicht fehlen. Auch wurde zuweilen der rechte Schenkel eines geschlachteten Ochsen an die Mumie oder Statue gehalten, um vielleicht die dem Ochsen innewohnende Kraft weiterzugeben.

Satz von Geräten aus dem AR, die beim Mundöffnungsritual verwendet wurden - Bildquelle: Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson
Der Tote wurde schließlich mit den Opfergaben in das Grab gebracht, und die Zeremonien endeten mit einem Leichenschmaus, welcher auf die Schließung der Grabtüre folgte. Natürlich waren die Modalitäten der Begräbnisse je nach Ort und sozialer Stellung des Verstorbenen unterschiedlich. Die Armen wurden einfach in eine Matte eingewickelt und in ein Erdloch gelegt. Im Delta variierte das Ritual in einigen Details: So wurde der Sarkophag von roten Ochsen gezogen (rot für Unterägypten). Männer, die muu genannt wurden, führten Totentänze auf. Es scheint bewiesen, dass diese Bräuche vom Begräbnisritual der Könige von Buto abstammen, das auf die prädynastische Zeit zurückgeht, wobei die muu niemand anderes wären als die alten Könige von Buto, die an der Schwelle der Nekropole ihren verstorbenen Nachfolger empfingen.

Das bei Bestattungszeremonien auf einem Schlitten mitgezogene in eine Tierhaut eingewickelte Wesen, das tekenu genannt wird, scheint ein symbolisches Überbleibsel der prähistorischen Menschenopfer zu sein.

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Totenliteratur

Die ersten überlieferten Toten- und Jenseitstexte sind die sog. „Pyramidentexte“, die erstmalig in der Pyramide des Unas in Saqqara aufgezeichnet wurden. In acht weiteren Pyramiden aus der 6. und 8. Dynastie fand man ähnliche Versionen. Die Pyramidentexte bestehen aus rund 800 Sprüchen, die in Kolumnen auf die Wände der Pyramidenkammern geschrieben wurden, aber offensichtlich keine verbindliche Reihenfolge einhielten. Keine Pyramide enthält die gesamte Spruchsammlung und mit 675 weist die Pyramide Pepis II. die meisten Sprüche auf. Diese Pyramidentexte enthalten neben Opferlisten auch die erste Niederschrift des Mundöffnungsrituals.

In der Epoche der politischen und sozialen Umwälzungen der 1. Zwischenzeit begann man, Totentexte für private Särge zu übernehmen. Daher der Name Sargtexte, obwohl man sie auch auf Papyri oder an den Wänden von Privatgräbern finden kann. Bei diesen Totentexten handelt es sich letztlich um nichts anderes als die komprimierten und etwas anders gefaßten Versionen der Pyramidentexte. Die Sargtexte enthielten Sprüche, die als eine Art „Jenseitsführer“ dienten und, wie im Zweiwegebuch, dem Verstorbenen konkrete Hinweise Anweisungen und Ratschläge erteilten. Ab der 2. Zwischenzeit wurde diese Führer-Funktion der Totentexte immer wichtiger und gipfelte schließlich in der Entstehung des sog. „Totenbuches“ (oder „Sprüche für das Herausgehen aus dem Tage“). Es besteht aus ca. 200 Sprüchen, von denen über die Hälfte direkt aus den Pyramidentexten übernommen wurden. Normalerweise schrieb man sie auf Papyri, bestimmte Abschnitte findet man aber auch auf Amuletten.

Zu Beginn des Neuen Reiches taucht eine neue Version der Totentexte auf, das Buch von dem, was in der Unterwelt ist - das sog. Amduat. Der Name wurde zur Gattungsbezeichnung aller Unterweltsbücher: Dazu gehören die Schrift des Verborgenen Raumes (das eigentliche Amduat), das Höhlenbuch, das Pfortenbuch und das Buch von der Erde. Das Thema all dieser Untweltsbücher ist die Nachtfahrt des Sonnengottes durch das Reich der Dunkelheit während der 12 Nachtstunden bis zu seiner siegreichen Wiedergeburt in der Morgendämmerung eines jeden neuen Tages. Während des Neuen Reiches waren die Unterweltsbücher praktisch ausschließlich den königlichen Bestattungen vorbehalten, aber ab der 3. Zwischenzeit tauchten sie allmählich auch in den Privatgräbern auf.

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Teil des Totenbuchs von Pinudjem I., Hohepriester des Amun in Theben, Anbetung des Gottes Osiris
Bildquelle: Das alte Ägypten von David P. Silverman


Amduat: Das Buch "Von dem, was in der Unterwelt ist" bildet zusammen mit dem Pfortenbuch das Hauptstück der königlichen Grabtexte des Neuen Reiches. Zuerst erscheint es in der größeren Fassung mit Bildern in den Gräbern Thutmosis III. und Amenhotep II., aber den besten Text bietet immer noch das Grab Sethos I. Das auch von den Ägyptern "Die Schrift der verborgenen Kammern" genannte Werk beschreibt ausführlich die Reise des Sonnengottes durch die den zwölf Nachtstunden entsprechenden zwölf Abteilungen der Unterwelt.
Totenbuch: In der 18. Dynastie geht man dazu über, das für den Toten bestimmte Spruchgut, welches man bisher an die Wände der Särge und Grabkammern setzte, auf Papyrusrollen zu schreiben, die man dann entweder auf den Sarg legte oder direkt in die Mumie einwickelte. Dieses Werk trägt den Namen "Sprüche für das Ausgehen bei Tage" und stellt eigentlich eine Sammlung von Zauberformeln dar.
Pfortenbuch: Dieses Werk ist dem Amduat und dem älteren Zweiwegebuch nah verwandt und wurde ursprünglich ohne Titel überliefert, aber später nach seinem Hauptmotiv benannt. Es beschreibt den Weg, den der Sonnengott bei seiner nächtlichen Fahrt von Westen nach Osten durch die Unterwelt nimmt und gleicht damit dem Amduat. Jedoch legt es seinen Schwerpunkt auf die Tore, die sich - von Dämonen und feuerspeienden Schlagen bewacht - von Stunde zu Stunde dem Gott und damit den Toten entgegenstellen und erst auf Beschwörungen öffnen. Mit dem Amduat zusammen gehört das Pfortenbuch zu dem wesentlichen Bestand der Königstotentexte des Neuen Reiches und taucht zum ersten Mal in größeren Auszügen im Grab des Haremhab auf. Später ist es jedoch in fast allen uns bekannten Gräbern der Könige der 19. und 20. Dynastie zu finden.
Bücher des Himmels: In der Spätzeit des Neuen Reiches verfaßte Texte, die den Weg der Sonne über den Himmel beschreiben. Drei der bekannteren sind das »Buch des Tages«, das »Buch der Nacht« und das »Buch der Himmelskuh«. Diese Bücher sind in einer Reihe ramessidischer Grabkammern und auch in diversen Passagen des Grabes von Ramses VI. zu finden.
Buch der Erde: Ein religiöses Traktat aus der 20. Dynastie, das in vier Teilen die nächtliche Reise der Sonne durch die Unterwelt beschreibt. Es taucht in den Grabkammern einiger später Ramessiden-Könige und auf anthropomorphen Sarkophagen aus der gleichen Zeit auf.
Höhlenbuch: In diesem Werk wird die Unterwelt als eine Abfolge von Höhlen oder Gruben dargestellt, über die sich der Sonnengott hinwegbewegt. Es legt großen Nachdruck auf Belohnungen und Strafen im Jenseits und die letztendliche Vernichtung der Feinde des Sonnengottes. Es wurde gelegentlich in den oberen Bereichen der späteren Gräber angebracht; eine vollständige Version findet sich im Grab Ramses' VI.
Zweiwegebuch: Dieses Buch ist die älteste der Spruchsammlungen und reicht in die Zeit der Herakleopoliten zurück, wo es auf Särgen überliefert ist, die der 11. und 12. Dynastie angehören. In seinen Sprüchen spielt Thot, der Gott von Hermopolis, eine bevorzugte Rolle und in einem Abschnitt wird sogar mit den Worten "diese Schrift war unter den Sohlen des Thot" geendet.
Litanei des Re: Die aus der 18. Dynastie stammende zweiteilige Sonnenlitanei feiert den Sonnengott Re in 75 verschiedenen Gestalten und preist obendrein den mit dieser und anderen Gottheiten vereinten König. Dieses Werk erscheint zuerst auf Pfeilern der Grabkammer Thutmosis' III. und wurde von der Zeit Setoys I. an in den Eingängen der meisten Gräber verwendet.
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