Die Ägypter zählen zu den ersten Menschen, die um etwa 3000 v. Chr. eine Schriftform entwickelten und zudem zu den wenigen Kulturen, die diese selbst hervorbrachten und nicht nur von anderen übernahmen. Die Schrift zählt schon seit alters her zu den Errungenschaften, die den Übergang von prähistorischer zu geschichtlicher Zeit markierten, denn erst durch die Schrift ist eine Dokumentation über die Geschichte überhaupt möglich geworden. Im Folgenden möchte ich Euch gerne eine kleine Übersicht über die Entstehung und Entwicklung der Schrift sowie ihre Bedeutung im Alten Ägypten darlegen.

Was sind Hieroglyphen?

Obwohl die meisten Ägypter weder lesen noch schreiben konnten, war Schreiben in ihrer Gesellschaft von großer Bedeutung. Doch sind es nicht die Hieroglyphen allein, die uns die Geschichte der alten Ägypter erzählen, denn die "Heilige Zeichen" bedecken zwar die Wände der Tempel und Gräber, aber die hieratische Schrift beherrschte den Alltag. Damit füllte man in den Verwaltungsinstitutionen der Wirtschaft die Papyrusrollen und damit arbeiteten auch die Schüler. Hilfreich war diese Form der Nachrichtenübermittlung nicht nur, wenn man Erzählungen und Mythen weitergeben wollte, sondern natürlich hauptsächlich für die zuverlässige Fixierung von Daten und Fakten für Handelszwecke. Der Schrift kam in der altägyptischen Kultur also eine andere Bedeutung zu, als wir sie aus unserer Zeit, in unserer Denk- und Sichtweise kennen. 

Für die alten Ägypter stellte die Schrift ein Geschenk der Götter dar und fiel unter den Machtbereich des Mondgottes Thot, der nicht nur für die Zeitrechnung, sondern auch für alle anderen wissenschaftlichen Bereiche zuständig war. "Gottesworte" (mdw-ntr) nannten die Ägypter selbst ihre revolutionäre Errungenschaft - die Schrift - die wir heute mit dem von den Griechen geprägten Begriff "Hieroglyphen" betiteln. Zwar ist diese Schrift eine Art "Zeremonialschrift", aber sie wurde dennoch nicht nur für die rituellen und religiösen Belange genutzt.

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Der Begriff "Hieroglyphen" setzt sich aus den griechischen "hieros" und "glyphein" zusammen und bedeutet soviel wie "heilig[e] eingemeißelt[e Zeichen]". Die ägyptische Hieroglyphen-Schrift besteht aus drei Grundtypen von Zeichen

- Phonogramme (Lautzeichen)

- Ideogramme (Bildzeichen)

- Determinative (Deutzeichen),

welche in horizontale und vertikale Reihen angeordnet werden. Von der späten Naqada II Zeit - etwa 3000 v. Chr. - bis hinein in das späte 4. Jahrhundert n. Chr. war die Hieroglyphenschrift in Gebrauch und die letzte datierbare Inschrift befindet sich auf dem Hadrianstor von Philae vom 24. August 394 n. Chr.

Man hat heute insgesamt 6000 Hieroglyphen-Zeichen identifiziert, von denen jedoch die meisten erst während der Ptolemäer- und Römerzeit eingeführt worden waren. Während der Pharaonenzeit waren um einiges weniger - etwa nur 1000 Zeichen - belegt und sogar noch weitaus weniger in Gebrauch. Es gab einen Kern von häufig verwendeten Grundzeichen, doch wurden offenbar bei Bedarf weitere Zeichen erfunden und eingeführt, was zuweilen auch Hinweise auf Veränderungen in der Kultur liefert. Die Hieroglyphen wurden in fortlaufenden Zeilen geschrieben, aber ohne Zwischenräume oder Interpunktion, die anzeigten wo ein Wort bzw. Satz begann oder endete. Für gewöhnlich waren die "Buchstaben" nach rechts ausgerichtet, so daß der Text von rechts nach links und von oben nach unten gelesen wurde. In bestimmten, jedoch recht seltenen Fällen, konnte die Ausrichtung auch von links nach rechts erfolgen.

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Wie werden Hieroglyphen benutzt?

Die einzelnen Zeichen der Hieroglyphen-Schrift sind weitgehend graphische Darstellungen der entsprechenden Gegenstände oder Lebewesen. Man bildete sie mit Betonung auf das Wesentliche ab und so gab ein Ideogramm stets die charakteristischen und vertrauten Elemente der äußeren Erscheinung wieder - Beispiel: Normalerweise werden Vögel ganz im Profil gezeigt, nur die Eule bildet eine Ausnahme - sie zeigt man in Vorderansicht, weil man sie am besten an ihren unverwechselbaren Augen erkennt. 

Die Ideogramme und Determinative der Hieroglyphen-Schrift sind grundsätzlich Zeichen, die man als der dargestellte Gegenstand ansehen soll. Ideogramme (Bildzeichen) sind also einzelne Zeichen, die im Grunde das bedeuten, was sie darstellen: Das Zeichen für Himmel bedeutet ebenso "Himmel". Die Determinative (Deutzeichen) stehen am Ende von Wörtern, die aus Phonemen (Lauten) gebildet wurden und bezeichnen den Bedeutungsbereich, in den ein Wort gehört: So folgt z.B. auf das Verb wescheb ("antworten") ein Zeichen, das einen Mann darstellt, der die Hand an den Mund hält.

Die Phonogramme (Lautzeichen) bestehen aus drei Gruppen: 24 Einkonsonantenzeichen, etwa 100 Zweikonsonantenzeichen und 40 bis 50 Dreikonsonantenzeichen. >> Einkonsonanten-"Alphabet" <<

Das größte Problem, das sich uns heute bei der Aussprache von altägyptischen Texten offenbart, besteht darin, daß die alten Ägypter keine Vokale, sondern nur Konsonanten verwendet haben. Durch das Studium des Koptischen, welches sich ja auch aus dem Altägyptischen entwickelt hat, und verschiedenen überlieferten Transliterationen ägyptischer Wörter in anderen antiken Sprachen, wie z.B. Assyrisch, Babylonisch und Griechisch, wird zumindest teilweise eine "Vokalisierung" ermöglicht. Normalerweise werden zur besseren Lesbarkeit von Konsonantenverbindungen Zeichen wie a oder e eingefügt.

Beispiel: Kartuschenpaar mit dem Geburts- (1) und Thronnamen (2) des Tutanchamun - Bildquelle: Kunst & Architektur von Schulz/Seidel    

1. = Tut-anch-Amun heka-Junu-schemai 

Übersetzung: "Tutanchamun, Herrscher des südlichen Heliopolis (=Theben)"

2. = Neb-cheperu-Re

Übersetzung: "Herr der Erscheinungsformen ist Re"

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Was ist Hieratisch?

Seit dem Ende der frühdynastischen Zeit vewerndete man im wesentlichen kursive hieratische (griechisch hieratika = heilig) Schrift, welche auf den Hieroglyphenzeichen basierte, aber nicht mit den "kursiven Hieroglyphen" verwechselt werden sollte. Letzere wurde fast ausschließlich während der gesamten Pharaonenzeit für religiöse Texte wie z.B. die Sargtexte und das Totenbuch benutzt. Auch schrieb man Hieratisch stets von rechts nach links, während die Ausrichtung kursiver Hieroglyphen variierte. Bis in die 11. Dynastie hinein waren hieratische Texte meist in senkrechten Zeilen angeordnet, aber ab der 12. Dynastie verliefen die Zeilen dann horizontal. Während des Mittleren Reiches entwickelten sich auch verschiedene Formen des Hieratischen.

Diese Schriftart ermöglichte es den Schreibern, schneller auf Papyrus und Ostraka zu schreiben, was wohl auch begründet, daß sie im Gegensatz zu den viel aufwendigeren Hieroglyphen, zum bevorzugten Medium in der Schreiberausbildung wurden. Aus dieser Schriftform ging dann auch später - etwa in der 26. Dynastie - das Demotische hervor.

Beispiel (Hieratisch):  

Beispiel (Hieroglyphen)obige Umsetzung in Hieroglyphen

Beispiel Übersetzung: "Er war Herrscher - er lebe, sei heil und gesund -
der beiden Länder auf dem Thron des Atum."

 

Was ist Demotisch?

Diese Kursivschrift, von den Ägyptern auch sech schat ("Schrift für Dokumente") genannt, löste ab der 26. Dynastie das Hieratische ab, aus dem sie ursprünglich hervorgegangen war. Zunächst verwendete man diese Schrift nur für Handels- und Verwaltungsdokumente, aber in der Ptolemäerzeit dann auch für religiöse, wissenschaftliche und literarische Texte. Demotisch - aus dem griechischen demotika ("volkstümliche [Schrift]") konnte für alle üblichen Schriftträger verwendet werden, wohingegen Hieroglyphen in erster Linie für Steininschriften und das Hieratische für Ostraka und Papyri verwendet wurde.

Während der gesamten Ptolemäerzeit verwendete man neben Griechisch auch das Demotische, wobei sein Fortbestand durch Besonderheiten der Verwaltung wie die Einrichtung separater greichischer und ägyptischer Gerichtshöfe, gesichert wurde. Die spätesten ganz in Demotisch verfaßten Geschäftsdokumente stammen aus den Jahren 130 und 176 n. Chr. Der Niedergang dieser Schrift ist wohl zum größten Teil darauf zurückzuführen, daß zu Beginn der Römerzeit ein neues Verwaltungssystem eingeführt wurde. Sämtliche juristischen und verwaltungstechnischen Dokumente wurden nun nur noch in Griechisch verfaßt. Danach überlebte diese Schrift nur noch in literarischen, religiösen und wissenschaftlichen Texten sowie in Steininschriften.

Beispiel (Demotisch):Demotisch des 3. Jh. v. Chr.

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Was ist Koptisch?

Einen endgültigen Bruch mit dem alten Schriftsystem bedeutete die Übernahme des griechischen Alphabets für die schriftliche Fixierung der gesprochenen Sprache. Nur für die Laute, für die die griechische Schrift keine Zeichen bot, griff man auf eine ägyptische Schrift zurück und reicherte die griechische Schrift mit einigen demotischen Schriftzeichen an. Als Bezeichnung für diese Schrift hat sich der Begriff "koptisch" eingebürgert, welches sich auf das arabische Wort aigyptios zurückführen läßt und einfach "ägyptisch" bedeutet.Seine spezielle Bedeutung bekam es, nachdem um 640 n. Chr. die Araber Ägypten eroberten und den Islam dorthin brachten. Seitdem sind die "Kopten" diejenigen, die die neue Religion nicht annahmen, sondern bei der alten Relgion blieben: Dem Christentum in seiner ägyptischen Ausprägung. Sie pflegten auch ihre Sprache und Schrift weiter und daher geriet beides nie in Vergessenheit.

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