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Landwirtschaft

Da das Niltal so günstige klimatische Bedingungen bot, konnten sich schon früh in der Jungsteinzeit aus nomadisierenden Volksgruppen seßhafte Bauern und Viehzüchter entwickeln, die Getreide kultivierten, Flachs anbauten und Rind, Esel, Schaf und Ziege domestizierten. Ägypten gelangte so schnell zu Wohlstand und durch eine wohlorganisierte Vorratswirtschaft konnte auch schlechten Erntejahren vorgesorgt werden. Und so galt Ägypten selbst noch in nachchristlicher Zeit als die Kornkammer des Römischen Reiches. Die Hauptphasen des landwirtschaftlichen Lebens bestimmten den "bürgerlichen Kalender" und unterteilten das Jahr in drei Jahreszeiten: achet (Überschwemmung), peret (Aussaat) und schemu (Ernte).

Getreideernte, Wandmalerei, Grab des Menena, Neues Reich, 18. Dynastie, West-Theben, TT 69
Bildquelle: "Alltag im Alten Ägypten von Manfred Reitz"

Sobald die Überschwemmungszeit vorüber und das Wasser abgeflossen war, erfolgte Mitte Oktober bis Anfang November die Aussaat. Vorrangig wurde der zweizeilige Emmer angebaut, aber auch die sechszeilige Gerste, aus der vor allem Bier gewonnen wurde. Weizen spielte nur eine untergeordnete Rolle. In den Monaten April/Mai holte man die Ernte ein und lagerte die Erträge in Speichern. Schreiber führten Buch über den wirtschaftlichen Ertrag und hielten die Angaben für Gerste in schwarzer, die für Emmer in roter Tinte fest. Darüberhinaus wurde in den Akten verzeichnet, wieviel Getreide an die Arbeiter und ihre Familien ausgegeben oder wieviel in die staatlichen Bäckereien geliefert wurden.

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Der Gartenbau war eine der wichtigsten Produktionsbereiche. Die Gärten waren von Mauern umschlossen und von Kanälen schachbrettartig durchzogen. Um die Teiche herum standen Sträucher, Dattel- und Dumpalmen, Christusdorn, Johannisbrotbaum, Tamariske, Weide, Perseabaum und vor allem Fruchtbäume mit Feigen, Granatäpfeln oder Mandragora. Diese Anbauflächen unterlagen einer Sondersteuer. Gepflanzt wurden Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Lattich, Bohnen, Linsen, Kürbisse, Melonen und auch Heilpflanzen und Kräuter, Gewürze wie Kümmel, Koriander und Wacholderbeeren, sowie ölhaltige Gewächse wie Rizinus, Sesam und Saflor.

Kopie einer Szene im theb. Grab des Chaemwaset (TT 261), die die Weinherstellung zeigt, Neues Reich
Bildquelle: "Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson"

Im Delta und in den Oasen gedieh blauer Wein besonders gut und wurde in eigens dafür angelegten Weingärten gezogen. Die Weinstöcke waren in Pflanzlöcher eingesetzt, die mit fruchtbarem Schlamm aufgefüllt und von einem Gießrand umgeben waren. Durch regelmässiges Gießen und Düngen mit Taubenmist wurde der Ertrag gesteigert und die Qualität des Weines wohl noch erhöht. Sowohl Rot- als auch Weißwein (irep) wurden regelmäßig getrunken und zahlreiche Grabmalereien zeigen das Ernten oder Pressen von Trauben. Der Saft wurde in Bottichen zur Gärung aufgefangen und - teilvergoren - in Amphoren abgefüllt, wo er weiter reifte. Manchmal sogar mehrere Jahre. Dann konnte er erneut gefiltert und mit Honig oder Gewürzen versetzt werden, ehe er schließlich in Amphoren abtransportiert wurde. Diese Gefäße haben häufig auf der oberen Gefäßwölbung eine Inschrift oder einen Stempelabdruck auf dem Tonsiegel. Oft nennt die Inschrift das Regierungsjahr des Königs, die Weinsorte, den "Weinberg", den Besitzer und den für die Herstellung Verantwortlichen. Damit erfüllte sie praktisch den gleichen Zweck wie moderne Weinetiketten und dank der Inschriften ist uns die Lage verschiedener Weinberge bekannt. Das Delta, der westliche Teil der Küste, die Oasen Charga und Dachla und das Gebiet von Kynopolis scheinen besonders gute Anbaugebiete gewesen zu sein.

Das geerntete Getreide wird fortgebracht und die Schnitter ruhen sich im kühlen Schatten eines Baumes aus. Theben, Grab des Menna (18. Dynastie)
Bildquelle: "An den Ufern des Nils von Edda Bresciani"
Schnitter und Ährenleserin, Theben, Grab des Sennedjem (19. Dynastie)
Bildquelle: "An den Ufern des Nils von Edda Bresciani"

Die Holzwirtschaft, die das Material für Produkte wie Särge, Möbel und allerlei Geräte bereitstellte war ein wichtiger Industriezweig. Bauholz benötigte man zur Überdachung und Abstützung großer Räume, zum Schiffsbau und zudem für Gerüste beim Tempelbau. Brennholz wurde vor allem zum Brennen großer Mengen von Keramik sowie in der Metallverarbeitung gebraucht. Daher muß ein wesentlich größerer Baumbestand existiert haben als heute. Noch im Neolithikum standen auf den Uferdämmen umfangreiche Galeriewälder, die im Laufe der Zeit mehr und mehr abgeholzt wurden. Die wichtigsten Baumarten dabei waren Sykomore, Nilakazie, Tamariske, Dattelpalme und Maulbeerpalme. Nur der Wesir durfte die Genehmigung zum Fällen großer Bäume erteilen. Importiert wurden Hölzer der Zedernbäume und das Ebenholz aus dem Libanon oder aus Nubien.

Durch den sumpfigen Boden war es möglich in großem Umfang Flachs anzubauen, aus dem Leinengewänder hergestellt wurden. Baumwolle wurde erst seit der Spätzeit in Ägypten angepflanzt. Das Gedeihen der Landwirtschaft wurde in religiösen Festen, Prozessionen und Ritualen beschworen. Min, Renenutet oder Neper verköperpten die Fruchbarkeit des Landes. Doch der Inbegriff der neue enstehenden Natur war Osiris. 

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Viehzucht

Bereits in prädynastischer Zeit sind Tierhaltung und -zucht für unterägyptische Siedlungen wie Merimda Beni Salama belegt. Doch noch im Alten Reich ging die Domestikation von ungewöhnlicheren Rassen mit Experimenten einher. Darauf verweisen Szenen wie jene in den Gräbern des Sopduhotep (5. Dynastie) und des Mereruka (6. Dynastie) in Saqqara, die das Mästen von Kranichen bzw. Hyänen darstellen. Während der Pharaonenzeit waren meist Rinder, Schafe, Schweine, Ziegen, Esel und Geflügel die gängigsten Haustiere. Beim Geflügel spielten Enten, Gänse und Tauben die größte Rolle, denn Hühner, die vom afrik. Dschungelhuhn abstammten, wurden möglicherweise erst im Neuen Reich eingeführt.

Fragment einer Wandmalerei aus dem Grab des Nebamun in Theben: Gänse werden für die Steuerfestsetzung gezählt, 18. Dynastie
Bildquelle: "Lexikon des alten Ägypten von Shaw / Nicholson"

Rinder waren als Lieferanten von Fleisch und Milch von Bedeutung, wurden aber auch als Zugtiere gehalten. Von der prädynastischen Zeit bis ins Alte Reich gehörten die Rinder überwiegend der Langhornrasse an und erst im Alten Reich wurden schlankere, kurzhornige Arten allmählich eingeführt und schließlich zur Regel. In der 18. Dynastie wurden Buckelrinder (Zebu) als Zugtiere eingeführt, doch fanden sie offenbar keine weite Ausbreitung. Um die Rinder kümmerten sich Hirten, die bei der Herde blieben und sie nach Bedarf auf neue Weiden weitertrieben. Im Winter weideten die Herden im Niltal, in den Sommermonaten trieb man sie aber auch ins Delta. Zur leichteren Identifikation versah man die Tiere mit Brandzeichen.

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Dreschen des Getreides, Szene aus dem Grab des Nacht in Theben-West, Neues Reich, 18. Dynastie
Bildquelle: "Das alte Ägypten von David P. Silverman"

Als Tempel- und Totenopfer war Rindfleich besonders geschätzt und oft auf Tempel- und Grabreliefs abgebildet. Reiche Landbesitzer rühmen sich in ihren Grabinschriften riesiger Rinder- und anderer Tierherden, denn Rinder waren Symbole für Wohlstand und auch Quelle für Steuereinnahmen. Das Pferd, das während der Hyksos-Besetzung in der 2. Zwischenzeit in Ägypten eingeführt wurde, trat erst im Neuen Reich häufiger auf und kam dann überwiegend im militärischen Bereich zum Einsatz. Esel wurden in großem Maßstab als Lasttiere und - wie auch Rinder - beim Dreschen eingesetzt. Aus bildlichen Darstellungen des Neuen Reiches lassen sich möglicherweise Hinweise auf domestizierte Kamele entnehmen, aber ihr Einsatz ist erst 9. Jh. v. Chr. belegt.

Schafe und Ziegen hielt man des Fleisches, der Wolle, des Felles und wahrscheinlich auch der Milch wegen. Allerdings war Wolle für die Herstellung von Textilien nie so wichtig wie Leinen. Die Ägypter bezeichneten Schafe und Ziegen als "kleine Rinder", was darauf schließen lässt, daß sie alle drei Tiere als annähernd der gleichen Gattung zugehörig betracheten. ZIegen waren jedoch häufiger als Schafe und zudem besser geeignet für die Haltung auf dem kargen Land.

Schweine galten als Tiere des Seth, des Gottes des Chaos, und spielten deshalb eine etwas zwiespältige Rolle. Dem griechischen Historiker Herodot zufolge bildeten diejenigen, die Schweine hielten, eine Art Unterklasse, die nur Töchter anderer Schweinehirten heiraten konnten. Man weiß jedoch nicht, ob dies in früherer Zeit auch schon so war. Eine Szene aus dem Grab des Kagemni (6. Dynastie) in Saqqara, in der ein Schweinehirt einem Ferkel Milch einflößt, lässt vermuten, daß Schweinehirten nicht unbedingt geringer geachtet wurden als andere Bauern. Ausgrabungen in den 80er Jahren des 20. Jh. im Arbeiterdorf von El-Amarna förderten überraschend umfangreiche Belege für Schweinezucht zutage. Auf ähnliche Zeugnisse stieß man auch bei Ausgrabungen in Memphis, Elephantine und Tell El-Dab´a. Dies deutet darauf hin, daß Schweinefleisch zumindest für einige Bevölkerungsschichten ein wichtiger Bestandteil der Ernährung war. Schweine werden in Aufstellungen von Tempelbesitz aufgeführt, Schweinefleisch aber nie für Opfergaben im Tempel verwendet. Amenhotep, Sohn des Hapi, Obervermögensverwalter Amenhoteps III. berichtet, er habe eine Statue seines Herrn in Memphis 1000 Schweine gestiftet.

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Ackerbau

Von frühester Zeit an ist die grundlegende Bedeutung des Ackerbaus in Ägypten bezeugt. Von größter Wichtigkeit war auch die Entwicklung der Landvermessung zur Festlegung von Grundstücksgrenzen, die jedes Jahr nach der Nilüberschwemmung erneut nötig wurde, wenn das Land schlammbedeckt zurückblieb, und auch die Vermessung von Landbesitz für die Erhebung von Steuern. Szenen, die staatliche Feldmesser beim Vermessen von Ackerland zeigen, sind aus vielen Grabkapellen bekannt, so u.a. aus jeder des Menna, eines theb. Beamten der 18. Dynastie.

Die Entwicklung des Kalenders war eng mit der sorgfältigen Beobachtung des "landwirtschaftlichen Jahres" verbunden und die Jahreszeiten erhielten ihre Namen im Einklang mit den Phasen des jährlichen Nilzyklus. Die Überschwemmung begann Mitte Juli, zu Beginn des neuen Jahres und erreichte ihren Höhepunkt meist Mitte August, wobei der genaue Zeitpunkt von Süden nach Norden variierte. Die Reichweite des Nils wurde durch das Graben von Bewässerungskanälen ausgedehnt, die auch zur Verteilung von Wasser bei niedriger Nilflut eingesetzt werden konnten. Kanäle sind zuerst in der frühdynastischen Zeit belegt, doch wahrscheinlich zeigen die Reliefs auf dem Kopf der Prunkkeule von König Skorpion den Einsatz von Bewässerung bereits in der späten prädynastischen Zeit. Sowie die Flut zurückging, schlossen die Bauern die Kanäle, um das Wasser zurückzuhalten, das dann erst eineinhalb Monate später freigegeben wurde. Im Oktober oder November wurde die Saat von Hand ausgebracht und von Schafen und Ziegen eingetreten (nach Herodot auch von SChweinen). Die wichtigste Feldfrucht war Getreide, darunter Gerste (Hordeum) und drei Weizenarten: Emmer (Triticum dicoccum), Einkorn (Triticum monococcum) und Spelt (Triticum spelta). Sie wurden zur Herstellung von Brot und Bier verwendet, den beiden Hauptnahrungsmitteln der alten Ägypter. Der fruchtbare Boden ermöglichte wenigstens zwei Ernten pro Jahr. Wollte man jedoch eine zweite Ernte während des Sommers erzielen, mußte das Land von Hand bewässert werden. Im Alten und im Mitleren Reich dienten ein einfaches Joch und Gefäße zur Beförderung des Wassers. Die Einführung des Schaduf im Neuen Reich und der Saqqia (ein von Tieren angetriebenes Wasserrad) in der Ptolemäerzeit erleichterten nicht nur die Bewässerung, sondern erlaubten auch eine Ausdehnung der Anbauflächen. Für eine zweite Ernte wurden meist Hülsenfrüchte statt Getreide angebaut und obwohl diese Stickstoff "binden" und damit den Boden ertragreicher machten, dürften die Auswirkungen auf die Umwelt im Vergleich mit der Nilflut relativ unbedeutend gewesen sein.

Beim Worfeln wirft man das Getreide hoch in die Luft, so daß der Wind die letzten Spreureste fortträgt und nur noch die Körner zu Boden fallen
Bildquelle: "Lebensalltag zur Zeit der Pharaonen"
Um Steuern richtig erheben zu können, wird zunächst der Umfang der Ernte berechnet
Bildquelle: "Lebensalltag zur Zeit der Pharaonen"

Zahlreiche Grabmalereien zeigten, wie Getreide mit Sicheln geerntet, mit Ochsen gedroschen, geworfelt und eingelagert wird, während Schreiber die Mengen sorgfältig berechnen und aufzeichnen. Gemüse (Zwiebeln, Knoblauch, Erbsen, Linsen, Bohnen, Radieschen, Kohl, Gurken und eine Art Kopfsalat) wurde meist auf kleinen viereckigen Parzellen angebaut, wie sie sowohl in Grabmalereien als auch durch archäologische Funde belegt sind (etwa im Fall der Gemüsegärten außerhalb des "Arbeiterdorfes" in El-Amarna).

Aus Sesam, Rizinus und Flachs (Linum usitatissimum) wurden Öle gewonnen. Flachs lieferte auch die wichtigste Faser zur Herstellung von Leinentextilien. Wein und Bier wurden oft mit Datteln gewürzt und die Fasern der Dattelpalme bei der Herstellung von Tauwerk udn Korbwaren verwendet. Der größte Teil des Ackerlandes gehörte dem König oder den Tempeln und beide führten ausführlich Buch über dessen Produktivität. Beamte verhängten oft strenge Strafen gegen Bauern, die ihr Abgabesoll an Getreide nicht erfüllten. In vielen Gräbern sieht man Szenen, in denen Bauern deswegen Schläge erhalten, wie z.B. im Grab des Mererurka aus dem Alten Reich.

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